Reminiszenzen

Diesen Text verfasste Martin Hauswirth in einem kleinen Büchlein, welches inzwischen vergriffen ist.
Danke Martin !

Kirschtorte

1984 waren wir zu Gast bei Hobbyköchen in Steinhausen im Zugerland. Zug ist berühmt für seine Kirschtorten. Die Vorbestellung der Tafelrunde fürs Dessert lautete auf 40 Tortenstücke. Wie machten wir Augen, als der Konditor mit 40 ganzen Torten anrückte - welch süsses Missverständnis! Ein paar Torten konnten am Sonntagmorgen an der Matinée verkauft werden und viele wurden nach Spiez "exportiert".

Hafenkonzert

Der Seemannschor singt am Rhein

Ein grosser Fan organisierte für uns die erste Reise ins Ausland. Im Kleinbus starteten wir frühmorgens mit Ziel unbekannt. In Mainz hingen inzwischen Plakate, die um 10:30 Uhr ein Konzert des Seemannschor Spiez am Hafen ankündigten. Wir erschienen pünktlich und sangen von Herzen. Aber die Mainzer hatten wohl Ausgehverbot. An Zuhörern waren gerade ein paar Morgenspaziergänger und Leute, die ihr Hundchen Gassi führten, auszumachen. Profis lassen sich davon natürlich nicht beeindrucken.

Es folgte eine Fahrt rheinabwärts durch die Loreley. Anschliessend verdichteten wir den Touristenstrom in Rüdesheims Drosselgasse. Auf einer Fahrt mit einem vollbesetzten Rheinschiff gaben wir abends unser Können doch noch vor Publikum zum Besten.

Notfall

Nach dem Bezug der Kajüte vor unserer ersten grossen Fahrt auf der "Khersones" (Titelbild) machten wir den Pier von Wilhelmshaven unsicher. Ein zur Kneippe umgebautes Feuerschiff (das sind schwimmende Seezeichen, ein Leuchtfeuer) lockte uns an. Bier her! Natürlich sangen wir eins, worauf uns die Kellnerin umgehend eine Runde Aqvavit, gespendet von Unbekannt, auftrug. Wir sangen weiter bis einer, das Glas schwenkend, der Kellnerin zurief: "Notfall!" Flugs brachte sie Nachschub. Das Spiel wiederholte sich. Shantys - Notfall - Shantys - Notfall. Als die Sänger müde wurden, zog es einen nach dem anderen zurück auf die "Khersones". Die Letzten beissen die Hunde, denn die entnervte Kellnerin verfolgte uns und reklamierte eine Menge unbezahlter Aqvavit. Und wir glaubten doch, der unbekannte Spender hätte uns à discrétion bedient. Auch Seemänner können sich irren.

Der Barpianist

Nach dem gelungenen Konzert am Shanty-Festival in Arbon zogen wir bester Laune Richtung Hotel. Unterwegs machte unser sonst reservierter Leiter gleich mit allen Frauen "Duzis", so angetan war er von unserer Vorstellung. In der Hotelbar spielte ein Pianist. Kaum jemand hörte zu. Wir baten ihn um eine Pause und zelebrierten einen unserer Hits. Sofort spendete ein Gast eine Runde Bier. Pflichtbewusst griff der Pianist wieder in die Tasten. Doch die Gäste riefen nach dem Chor. Da sagten wir dem Musiker, er könne den Klavierdeckel schliessen und Feierabend machen, wir übernähmen jetzt die Unterhaltung. Es kam Stimmung auf. Und so viel und so gratis hatten wir schon lange nicht mehr getrunken.

Der magische Button

Unser erstes richtiges Konzert in Müchen! Der Zug war tschechisch und fuhr bis Prag. Man probierte ausgiebig den "Becherovka", den legendären Kräuterschnaps aus Karlsbad.

In München bogen einige Shantymänner gleich in den ersten Biergarten ab. Wenn das nur gut geht! - Na ja, das Konzert stand erst morgen auf dem Programm. Heute war Kommersabend mit den teilnehmenden Chören Edi und der magische Button angesagt. Daraus wurde ein echtes Konzert in geschlossener Gesellschaft. Und der Shanty-Chor Spiez versagt kläglich. So falsch kann man gar nicht singen und spielen. Eine Katastrophe! Hinter einer Toilettentür ertönte eine empörte Münchner Stimme: "So etwas können sich die Schweizer morgen nicht leisten!"

Nach dem Frühstück - man sah lauter betretene Gesichter - rief unser Kapitän zum Rapport. Mit seiner allseits respektierten Autorität las er uns die Leviten. Dann löste er den Shantychor-Button von seinem Hemd, gab ihn zurück und schwor, ihn erst wieder anzustecken, wenn wir so singen, dass man sich dieses Chors nicht schämen muss. Das wirkte.

Der Tag verlief alkoholfrei. Im vollbesetzten Paulanerkeller boten wir einen perfekten Auftritt. Und siehe da: unser Chef spendierte eine Runde Paulaner und steckte sich den Button wieder an.

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Das Kompliment

Als wir unter dem neuen Chorleiter Toni am Galakonzert in Cuxhaven gastierten, reiste unser verdienter Arrangeur und Ex-Coach Edi Wyttenbach mit. Er war wohl noch gespannter auf unsere Darbietung als wir selber. Unser Vortrag glückte perfekt wie selten. Nach dem Auftritt sagte der alte Chorleiter zum neuen: "Bravo Toni! Mit dene 'Chrüschmüdere' hätti das nid härebracht."

Die Neptuntaufe

Während des ersten Besuchs unserer Freunde aus Cuxhaven im September 1999 kamen einige von uns in den Genuss besonderer Ehre. Wir erlebten die Neptuntaufe. Ein erlauchtes Gremium der Gäste seifte die Täuflinge tüchtig ein, bemurmelte sie und verlieh ihnen einen Namen aus dem Reich des Wassers. "Seehecht", "Kleiner Stichling", "Seanemone", "Hammerhai" und so weiter. Der Taufakt wurde alsdann feierlich beurkundet.

Fisch und Bier

Die "kleine" Fischplatte

In Cuxhaven lebt man vor allem von Fisch und Bier. Und das nicht allzu schlecht. Die leckeren Matjesbrötchen verschlangen wir zu Dutzenden. Grosse Augen machte unser Seemann Markus, als er nachmittags eine Fischplatte für den kleinen Hunger bestellte.

Werndlis "Adventscher-Tuur"

Am Donschtig:
Der Shantychor Spiez isch nach Jahre
Zum erschte Mal uf Ribnitz gfahre.
Anschtatt der Rhy ab mit em Kahn,
Im ICE vor Dütsche Bahn.

Ds Freiburg im Breisgau mues me ghöre,
E Panne tüeg dä Schnällzug schtöre.
Zwar chönn me fahre - hei si gseit -
Doch nid mit voller Gschwindigkeit.

Stund für Stund verstrycht is d Zyt,
Bis uf Hamburg ischs no wyt.
Dert - das het der Tüüfel gseh -
Si d Aschlusszüg halt nienemeh.

Bis Rostock hets no eine ggäh,
Dert hei mir müesse ds Taxi näh.
Uf Ribnitz, anschtatt churz nach Acht,
Chöme mir ersch am Elfi znacht.

Fründlech het me nis empfange,
D Erläbnistour isch wyterggange:
D Herbärg tuet is no bekoche,
U Hertig het es Rüppi broche.

Am Frytig:
E gfüehrte Rundgang i dr Schtadt,
Ds Bärnschteimuseum isch no glatt.
Doch bis zur Bootsfahrt mit de Kumple
Müesse mir fasch e Stund lang tschumple.

Am Samschtig:
Bim Uftritt uf der grosse Bühni,
Am Samschtigmorge nachem Znüüni,
Chöi mir de Lüt dert neecher bringe,
Wie me rächt tuet Shantys singe.

Am Sunntig:
U scho isch üse Bsuech verby.
Ribnitz ade - s isch luschtig gsy.
Guet gluunt si mir uf ds Zügli ggange,
Tüe freudig uf deheime plange.

Bi Rostock si mir ersch grad gsy,
Da steit d Bahn still, zmitts ir Prärie,
Rundum hets tonneret u gseicht,
E Blitz het grad es Stellwärk preicht.

Ds Hamburg geit, itz müesst dr lose,
Üse Aaschluss halt id Hose.
Mit em letschte Euronöötli,
Chouft is Chrischte Matjesbröötli.

We mir i nächschte Schnällzug dränge,
De sötts a Thunersee no länge.
Guet ufgleit hocke mir im Wage.
Itz hei mir sicher nüt meh z chlage.

Nach Frankfurt gits de längi Gringe,
I üsem Wage, vor u hinge.
Der Kundi seit ids Mikrophon:
"Karlsruhe ist heut' Endstation!"

E Schturm het d Leitig abegrisse,
U mir füüf si scho wider bschisse.
Es Riesepuff, ke Mönsch chunnt druus!
Rasch houe mirs zum Bahnhof uus.

Hei vis-a-vis es Hotel gnoh,
Die letschte Zimmer überchoh.
Hei ändlech öppis welle ässe.
D Chuchi isch zue - mir chöis vergässe.

Am Morge tüe mir d Chance packe,
Mir näh dä Zug nach Interlake.
Da chunnt e Durchsag: "Achtung, Leute!
Der Zug fährt nur bis Basel heute."

Dert, im vollgschtopfte Eurocity,
Göh mir i Schpyswage, ir Mitti,
Doch d Servicefrou, mit bleichem Gsicht,
Seit: "Kochen geht heut' leider nicht."

Es Sändwitsch hei mer überchoh,
Hei all die Panne locker gnoh.
Wäg däm Züüg wird doch niemer suur
Uf Werndli sir Adventscher-Tuur!

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